Interview mit Greser & Lenz - „Wir sind die Masseure der Lachmuskeln“
Die wohl bekanntesten deutschen Karikaturisten wohnen und arbeiten seit dem Jahr 2005 in Aschaffenburg-Leider. Der 1961 in Lohr am Main geborene Achim Greser und der Schweinfurter Heribert Lenz (Jahrgang 1958) haben sich während ihres Grafikstudiums an der Fachhochschule in Würzburg kennengelernt. Seit dem zeichnen sie mit großem Erfolg zusammen. Zunächst arbeiteten sie für das Satiremagazin „Titanic“. Seit 1996 zeichnen sie regelmäßig für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Wir haben das Zeichner-Duo im Atelier ihres gemeinsamen Wohnhauses in Leider interviewt.
Herr Greser, Herr Lenz, auch wenn Sie die Frage wahrscheinlich schon oft gehört haben, woher nehmen Sie eigentlich Ihre Ideen?
Greser: Das ist natürlich geheim! Wir lesen verschiedene Zeitungen und versuchen von gesellschaftlich relevanten aktuellen Themen die komische Situation widerzugeben und die aktuelle gesellschaftliche Debatte zu begleiten.
Lenz: Wir versuchen, große Themen runterzufahren auf die kleinen Leute, das Prinzip ist urdemokratisch, weil der kleine Mann dabei als der Souverän rüberkommt.
Greser: Es gibt zwei unterschiedliche Betrachtungsweisen der Welt: Tragisch und komisch, wir haben uns für die komische entschieden. Wir sind die Masseure der Lachmuskeln.
Wie kann man sich Ihre Zusammenarbeit vorstellen? Arbeiten Sie gemeinsam an einem Bild? Wie ist die Arbeit aufgeteilt?
Lenz: Wir überlegen die Themen gemeinsam, aber einer muss es zeichnen, der andere ist dann der erste Kritiker.
Greser: Dadurch wird die Produktivität gesteigert
Gibt es manchmal Meinungsverschiedenheiten?
Greser: Das fragt man doch nicht.
Lenz: Man muss schon Kritik ertragen können, meistens einigen wir uns auf die beste Variante zu einem Thema.
Hatten Sie schon einmal Probleme wegen einer Zeichnung? Welche Themen gehen gar nicht?
Greser: Die Karikatur ist ein Genre der Publizistik, das provokativ sein soll. Diese Kraft muss man ausspielen. Wenn es nie Ärger geben würde, müsste man aufhören.
Lenz: Es gibt manchmal Leute, die sich stellvertretend für die Opfer eines Witzes aufregen.
Greser: Es sind oft Lächerlichkeiten über die sich die Leute empören.
Lenz: Politische „Correctness“ ist der Tod jeden Witzes.
Wo haben Sie sich kennengelernt und wie lange arbeiten Sie schon zusammen? Fühlen Sie sich nicht manchmal wie ein altes Ehepaar?
Lenz: Wir haben 1981 zusammen an der FH Würzburg studiert, Greser begann 1986 bei der Titanic, ich 1988. Im Jahr 1993 erschienen die „Roten Strolche“. Das war das erste Mal, dass wir direkt an einem Blatt gearbeitet haben. Seit 1996 zeichnen wir unter dem Namen Greser & Lenz für die FAZ, ab 2004 für den Stern und seit Sommer 2013 für den Focus.
Greser: Wir sind zwar nicht schwul, fühlen uns aber wie ein ewig frisches Ehepaar. Es war wohl eine der besten Entscheidungen in unserem Leben, unsere Witzemanufaktur zu gründen. Als wir mit dem Zeichnen anfingen, konnte man nicht vorhersehen, dass man in dem Beruf große Sprünge machen kann.
Wie lange arbeiten Sie normalerweise an einem Bild?
Lenz: Wir zeichnen an einem Bild zwischen zwei und vier Stunden. Das hängt u.a. von der Tagesform, der Laune und anderen Faktoren ab. Es entstehen ungefähr fünf Zeichnungen in der Woche.
Sie arbeiten für die FAZ. Wie kamen Sie dazu?
Greser: Vor 1996, als wir fest bei der Titanic angestellt waren, wäre es nicht gegangen, für die FAZ zu arbeiten, weil Titanic und FAZ politisch nicht kompatibel waren. Unser Glück verdanken wir dem Herrn Gorbatschow und FAZHerausgeber Georg Reißmüller. Dieser fragte uns, ob wir uns vorstellen könnten, unsere Herangehensweise auf die aktuellen politischen Themen anzuwenden. Reißmüller galt als „Kommunistenfresser“.
Bekommen Sie die Themen vorgegeben oder bringen Sie Ihre eigenen Ideen ein?
Lenz: Wir kommen durch die Zeitungslektüre auf die Themen und schicken dann Skizzen an die Redaktion.
Greser: Die FAZ hat keinen festen Karikaturenplatz, das Bild steht meist in Kontakt mit einem Artikel.
Ist es ein Unterschied für die FAZ oder Ihren früheren Arbeitgeber, die „Titanic“, zu arbeiten?
Greser: Bei der FAZ gibt es keine Zensur, man kann frei arbeiten. Sie leidet aber immer noch unter ihrem konservativen Image. Bei der Titanic gibt es viel Zensur.
Sie wohnen zusammen in einem Haus in Aschaffenburg-Leider, wie ist die Raumaufteilung?
Lenz: Jeder bewohnt ein Stockwerk und unten ist das gemeinsame Büro.
Wie kamen Sie eigentlich nach Aschaffenburg?
Lenz: Wir kommen beide aus Franken, es lag also nahe. Frankfurt war zu teuer.
Greser: Die Ascheberscher sind witz- und ironiefähig, die Ironiefestigkeit in Aschaffenburg ist hervorragend.
Gefällt es Ihnen in Aschaffenburg bzw. in Leider?
Greser: Ja, es gibt gutes Bier und gute Würscht und es herrscht ein mafiaähnliches Überlebensprinzip, dass eine Hand die andere wäscht. Es gibt eine große Hilfsbereitschaft und freundschaftlichen Zusammenhalt.
Lenz: Och ja, Greser hat Recht, die Ascheberscher sind ein angenehmer Menschenschlag, zum anderen ist Frankfurt um die Ecke, die Verkehrsanbindung ist sagenhaft. Außerdem finden sich hier weltberühmte Sehenswürdigkeiten wie das Schloss Johannisburg, das Pompejanum und die Autobahn-Einhausung
Können Sie schon Ascheberscherisch?
Lenz: Nee.
Greser: Ich komme aus Lohr. Es ist von Vorteil dass die Aschaffenburger ein Grenzvolk sind und dadurch offener für alles sind.
Sie machen Zeichnungen für die Schlappeseppel-Bierdeckel. Werden Sie dafür auch mit Freibier bezahlt?
Lenz: Ja klar, es gibt eine alte Regel im Tarifrecht von Brauereimitarbeitern, dass es einen Haustrunk gibt.
Trifft man Sie öfters im Wirtshaus „Schlappeseppel“ an?
Lenz: Mich eher selten.
Greser: Mich schon, obwohl das Bier jetzt nicht mehr so schmeckt.
Was sagen Sie dazu, dass es dort seit einiger Zeit kein Schlappeseppel-Bier mehr, sondern nur Faust-Bier gibt?
Greser: Der Nimbus der Wirtschaft hat gelitten, die Wirtschaft hat sehr nachgelassen, sie war vorher ein Touristenmagnet wie das Hofbräuhaus in München. Der Hofgarten hat dadurch gewonnen.
Lenz: Es hat zu einem Besuch in Aschaffenburg dazugehört, im Schlapp einzukehren.
Welches Bier trinken Sie privat am liebsten?
Greser: Schlappeseppel.
Lenz: Bier aus der Region, auf keinen Fall Biere, die im Fernsehen beworben sind.
Sie sind Botschafter für Leila-Plus? Was genau heißt das?
Greser: Wir wurden als Werbefigur verwendet, das ist aber eine bundesweite Angelegenheit, unsere Aufgabe bestand darin, unseren Namen und das Gesicht herzugeben, weil wir selbst über 50 sind.
Lenz: Wir hatten gehofft, als Botschafter den Status der Immunität zu erreichen und überall kostenlos parken zu dürfen.
Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Lenz: Die Weltherrschaft.
Greser: Es gibt jedes Jahr ein Buch mit unseren Zeichnungen, eine Jahreschronik vom FAZ-Verlag. Wir wünschen uns sehr, dieses Prinzip beizubehalten, also jedes Jahr ein Buch im FAZ-Verlag herauszubringen. Vielleicht entsteht daraus einmal eine Chronik der ganzen Epoche.
Lenz: Im nächsten Jahr haben wir eine große Ausstellung im Zeppelinmuseum in Friedrichshafen am Bodensee. Die wird gerade vorbereitet.
(Christiane Schmidt-Rüppel) // Foto1: © Markus J. Feger // Foto2: © Greser & Lenz
Weitere Informationen unter www.greser-lenz.de
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